Im Interview mit unserer Redaktion spricht „Unter uns“-Produzent Guido Reinhardt über die technischen und organisatorischen Aufwände rund um das KI-generierte Comeback und erklärt, warum Künstliche Intelligenz noch längst nicht fehlerfrei arbeitet.
Vor 18 Jahren starb die Schauspielerin Christiane Maybach und mit ihr die beliebte „Unter uns“-Figur Margot Weigel. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der RTL-Serie kehrt Weigel nun zurück in die Schillerallee – mithilfe von Künstlicher Intelligenz.
Herr Reinhardt, im Rahmen des 30-jährigen „Unter uns“-Jubiläums wird mithilfe von KI eine Kultfigur zurück in die fiktive Schillerallee kehren: Margot Weigel, die von der 2006 verstorbenen Christiane Maybach gespielt wurde. Welche Storyline verbirgt sich hinter diesem Comeback?
Guido Reinhardt: Margot Weigel war eine sehr besondere Figur der Serie. Insofern haben wir uns im Team die Frage gestellt, welche Rolle diese Figur auch nach 30 Jahren noch innehaben könnte. So entstand die Idee um den Handlungsstrang „Das Vermächtnis“: Cecilia, Margot Weigels Urenkelin, erhält in einer Urne die sterblichen Überreste ihrer in Australien verstorbenen Urgroßmutter. Damit einhergehend erscheint ihr Margot in ihren Träumen und erteilt der jungen Frau den Auftrag, auf den Spuren ihres Lebens zu wandeln und ein Rätsel zu lösen. Auf dieser Reise durch Margots Vergangenheit kommt Cecilia einer besonderen Geschichte auf die Spur – und damit auch neuen Familienmitgliedern.
Musste das Einverständnis der Angehörigen von Christiane Maybach eingeholt werden, um die Rolle der Margot Weigel zurück auf den Bildschirm zu holen?
Christiane Maybach hatte zum Zeitpunkt ihres Todes keine Angehörigen mehr, die wir hätten fragen können. Zeit ihres Lebens wollte sie am liebsten noch viele Jahre diese besondere Rolle verkörpern, doch ihre persönliche Leidensgeschichte hat sie letztendlich daran gehindert. Ganz in ihrem Sinne haben wir die Kunstfigur Margot Weigel daher anlässlich des Jubiläums in Form eines abgeschlossenen Handlungsbogens zurück in die Schillerallee geholt und uns auch einen entsprechenden Ausgleich für diese Szenen überlegt, quasi eine posthume Gage, die wir an eine Forschungseinrichtung spenden, die sich mit den Folgen ihrer Erkrankung beschäftigt.
Welche weiteren rechtlichen oder ethischen Herausforderungen spielen außerdem eine Rolle?
Rechtliche und ethische Fragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz sind nicht nur berechtigt, sondern werden uns in Zukunft immer häufiger begegnen und sind mit Blick auf KI absolut relevant. Denn auch die KI selbst ist ein trainiertes, technisches Instrument, was in Teilen auf vom Menschen geschaffenen Urheberrechten beruht. Insofern schafft die Arbeit mit KI auch immer zugleich einen Prozess zum Nachdenken.
Eine Woche für acht Szenen: Produktion jenseits des regulären Drehplans
Lassen Sie uns über die technischen Abläufe sprechen: Hatten die KI-generierten Szenen Einfluss auf den regulären Dreh- und Produktionsablauf der Serie?
Absolut. Der Dreh dieser Szenen wurde komplett outgesourced. Wir mussten zunächst einmal eine Schauspielerin finden, die die Rolle der Margot Weigel spielen wollte – wissend, dass diese Schauspielerin uns auch das Recht gibt, ihre Person so zu verändern, dass sie in der finalen Ausstrahlung so aussieht wie Margot Weigel. Die Schauspielerin muss dafür nicht nur die Einwilligung geben, sondern sich die Figur der Margot Weigel auch ein Stück weit antrainieren. In Sachen Gestik, Mimik und Sprachduktus muss sie also dem entsprechen, was die verstorbene Schauspielerin Christiane Maybach damals in die Figur gelegt hat.
Wir sprechen also von einem nicht zu unterschätzenden Aufwand.
Ja. Während die reguläre Produktion von „Unter uns“ in der Sommerpause war, haben wir begonnen, diesen speziellen Dreh vorzubereiten. Dabei sprechen wir von lediglich acht Szenen – doch mehr wären gar nicht umsetzbar gewesen. In diese acht Szenen haben wir letztendlich eine Woche Produktionszeit investiert, die mit dem regulären Dreh nichts zu tun hatten.
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Warum Künstliche Intelligenz noch längst nicht fehlerfrei arbeitet
Sie haben die KI-Technologien des ukrainischen Softwareunternehmens Respeecher genutzt, das bereits 2023 bei der Serie „Neue Geschichten vom Pumuckl“ dem Kobold die Stimme des verstorbenen Schauspielers Hans Clarin zurückgegeben hat.
Genau. Respeecher hat sich darauf spezialisiert, Sprachen auf Basis der Originalsprache synthetisch über die KI zu reproduzieren. Und ich kann sagen, dass das Ergebnis wirklich verblüffend geworden ist.
Arbeitet die KI denn bereits fehlerfrei?
Nein, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Wir testen die Möglichkeiten von KI in verschiedenen Bereichen. Von der Drehbucherstellung bis hin zur Postproduktion gibt es unterschiedlichste Anbindungen, wo wir in der UFA mit KI experimentieren können. Dabei lautet die häufig geäußerte Frage vieler Menschen: Wird KI uns alle ersetzen?
Meine Antwort darauf lautet: Nein. Sie wird mit Sicherheit Abläufe in bestimmten Bereichen verändern. Mit Blick auf den Einsatz im künstlerischen Bereich haben wir durch die KI Möglichkeiten etwas Besonderes herzustellen – so wie etwa bei diesem 30-jährigen „Unter uns“-Jubiläum. So war es möglich, diese außergewöhnliche Geschichte mit der Unterstützung von KI zu erzählen. Der Hauptanteil dieser Produktion ist und bleibt dennoch die Liebesgeschichte der jungen Margot Weigel, die sehr klassisch und fast komplett ohne KI-Unterstützung erzählt wurde. Die KI kam lediglich in den historischen Szenen zum Einsatz, indem Hintergründe und Settings an die Umgebung der 50er-Jahre angepasst wurden.
Wie blicken Sie persönlich auf den Fortschritt von Künstlicher Intelligenz?
Ich kann empfehlen, sich in der ZDF-Mediathek die Dokumentation „Das KI-Manifest“ anzusehen. In der Doku sprechen neben mir weitere Filmschaffende über die spannende Frage, was KI für uns in Zukunft bedeuten wird. Ich persönlich glaube, dass wir künftig sehen können, wie Kunst und Kommerz auseinanderdriften werden. Außerdem denke ich, dass wir eine Kennzeichnungspflicht brauchen werden, um Handwerk und künstliche Erstellung voneinander unterscheiden zu können.
Auf Social Media begegnen uns im Bereich Werbung bereits Clips, die vollständig KI-generiert sind. Insofern denke ich, dass mit Sicherheit ein Einfluss auf die Werbung erfolgen wird. Ähnliches gilt für die Filmindustrie. Irgendwann könnte die KI so weit entwickelt sein, dass jemand innerhalb einer Nacht einen komplett produzierten Spielfilm mittels KI erstellt. Hier tun wir gut daran, den Fortschritt der KI zu hinterfragen. Zudem müssen wir alle entscheiden, wie wir mit diesem Fortschritt umgehen wollen.
Wird die KI-generierte Rückkehr der Figur Margot Weigel bei „Unter uns“ auch gekennzeichnet?
Zum Teil, ja, wo zum Beispiel der komplette Abspann läuft, wird gekennzeichnet sein, dass etwa die Stimme der Margot Weigel KI-generiert ist.
Sind für die Zukunft weitere KI-generierte Handlungsstränge bei „Unter uns“ geplant?
Sicherlich nicht, wenn es darum geht, ein Urgestein der Serie wie Margot Weigel zurückzuholen. Das soll eine besondere Geschichte im Rahmen des 30. Jubiläums der Serie bleiben. Was jedoch den Bereich der Postproduktion betrifft, können diese technischen Vorgänge den Ablauf einer täglichen Serie schon beeinflussen. Erlaubt es die KI also, gewisse mühsame Arbeitsschritte zu übernehmen, um die man sich als Mensch nicht unbedingt reißt, stellt sie natürlich eine große Erleichterung dar. Denn so freuen sich ein paar Menschen, die wiederum Zeit gewonnen haben, sich anderen Aufgaben zu widmen (lacht).
Über den Gesprächspartner
- Guido Reinhardt ist ein deutscher Regisseur und Producer und seit rund 30 Jahren Teil der UFA. Als langjähriger Produzent der RTL-Serie „Unter uns“ hat er im April 2024 auch die Produzenten-Verantwortung für die ebenfalls in Köln-Ossendorf produzierte tägliche Serie „Alles was zählt“ übernommen.
„So arbeitet die Redaktion“ informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.
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Herr Reinhardt, im Rahmen des 30-jährigen „Unter uns“-Jubiläums wird mithilfe von KI eine Kultfigur zurück in die fiktive Schillerallee kehren: Margot Weigel, die von der 2006 verstorbenen Christiane Maybach gespielt wurde. Welche Storyline verbirgt sich hinter diesem Comeback?
Guido Reinhardt: Margot Weigel war eine sehr besondere Figur der Serie. Insofern haben wir uns im Team die Frage gestellt, welche Rolle diese Figur auch nach 30 Jahren noch innehaben könnte. So entstand die Idee um den Handlungsstrang „Das Vermächtnis“: Cecilia, Margot Weigels Urenkelin, erhält in einer Urne die sterblichen Überreste ihrer in Australien verstorbenen Urgroßmutter. Damit einhergehend erscheint ihr Margot in ihren Träumen und erteilt der jungen Frau den Auftrag, auf den Spuren ihres Lebens zu wandeln und ein Rätsel zu lösen. Auf dieser Reise durch Margots Vergangenheit kommt Cecilia einer besonderen Geschichte auf die Spur – und damit auch neuen Familienmitgliedern.
Musste das Einverständnis der Angehörigen von Christiane Maybach eingeholt werden, um die Rolle der Margot Weigel zurück auf den Bildschirm zu holen?
Christiane Maybach hatte zum Zeitpunkt ihres Todes keine Angehörigen mehr, die wir hätten fragen können. Zeit ihres Lebens wollte sie am liebsten noch viele Jahre diese besondere Rolle verkörpern, doch ihre persönliche Leidensgeschichte hat sie letztendlich daran gehindert. Ganz in ihrem Sinne haben wir die Kunstfigur Margot Weigel daher anlässlich des Jubiläums in Form eines abgeschlossenen Handlungsbogens zurück in die Schillerallee geholt und uns auch einen entsprechenden Ausgleich für diese Szenen überlegt, quasi eine posthume Gage, die wir an eine Forschungseinrichtung spenden, die sich mit den Folgen ihrer Erkrankung beschäftigt.
Welche weiteren rechtlichen oder ethischen Herausforderungen spielen außerdem eine Rolle?
Rechtliche und ethische Fragen im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz sind nicht nur berechtigt, sondern werden uns in Zukunft immer häufiger begegnen und sind mit Blick auf KI absolut relevant. Denn auch die KI selbst ist ein trainiertes, technisches Instrument, was in Teilen auf vom Menschen geschaffenen Urheberrechten beruht. Insofern schafft die Arbeit mit KI auch immer zugleich einen Prozess zum Nachdenken.
Eine Woche für acht Szenen: Produktion jenseits des regulären Drehplans
Lassen Sie uns über die technischen Abläufe sprechen: Hatten die KI-generierten Szenen Einfluss auf den regulären Dreh- und Produktionsablauf der Serie?
Absolut. Der Dreh dieser Szenen wurde komplett outgesourced. Wir mussten zunächst einmal eine Schauspielerin finden, die die Rolle der Margot Weigel spielen wollte – wissend, dass diese Schauspielerin uns auch das Recht gibt, ihre Person so zu verändern, dass sie in der finalen Ausstrahlung so aussieht wie Margot Weigel. Die Schauspielerin muss dafür nicht nur die Einwilligung geben, sondern sich die Figur der Margot Weigel auch ein Stück weit antrainieren. In Sachen Gestik, Mimik und Sprachduktus muss sie also dem entsprechen, was die verstorbene Schauspielerin Christiane Maybach damals in die Figur gelegt hat.
Wir sprechen also von einem nicht zu unterschätzenden Aufwand.
Ja. Während die reguläre Produktion von „Unter uns“ in der Sommerpause war, haben wir begonnen, diesen speziellen Dreh vorzubereiten. Dabei sprechen wir von lediglich acht Szenen – doch mehr wären gar nicht umsetzbar gewesen. In diese acht Szenen haben wir letztendlich eine Woche Produktionszeit investiert, die mit dem regulären Dreh nichts zu tun hatten.
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Genau. Respeecher hat sich darauf spezialisiert, Sprachen auf Basis der Originalsprache synthetisch über die KI zu reproduzieren. Und ich kann sagen, dass das Ergebnis wirklich verblüffend geworden ist.
Arbeitet die KI denn bereits fehlerfrei?
Nein, vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Wir testen die Möglichkeiten von KI in verschiedenen Bereichen. Von der Drehbucherstellung bis hin zur Postproduktion gibt es unterschiedlichste Anbindungen, wo wir in der UFA mit KI experimentieren können. Dabei lautet die häufig geäußerte Frage vieler Menschen: Wird KI uns alle ersetzen?
Meine Antwort darauf lautet: Nein. Sie wird mit Sicherheit Abläufe in bestimmten Bereichen verändern. Mit Blick auf den Einsatz im künstlerischen Bereich haben wir durch die KI Möglichkeiten etwas Besonderes herzustellen – so wie etwa bei diesem 30-jährigen „Unter uns“-Jubiläum. So war es möglich, diese außergewöhnliche Geschichte mit der Unterstützung von KI zu erzählen. Der Hauptanteil dieser Produktion ist und bleibt dennoch die Liebesgeschichte der jungen Margot Weigel, die sehr klassisch und fast komplett ohne KI-Unterstützung erzählt wurde. Die KI kam lediglich in den historischen Szenen zum Einsatz, indem Hintergründe und Settings an die Umgebung der 50er-Jahre angepasst wurden.
Wie blicken Sie persönlich auf den Fortschritt von Künstlicher Intelligenz?
Ich kann empfehlen, sich in der ZDF-Mediathek die Dokumentation „Das KI-Manifest“ anzusehen. In der Doku sprechen neben mir weitere Filmschaffende über die spannende Frage, was KI für uns in Zukunft bedeuten wird. Ich persönlich glaube, dass wir künftig sehen können, wie Kunst und Kommerz auseinanderdriften werden. Außerdem denke ich, dass wir eine Kennzeichnungspflicht brauchen werden, um Handwerk und künstliche Erstellung voneinander unterscheiden zu können.
Auf Social Media begegnen uns im Bereich Werbung bereits Clips, die vollständig KI-generiert sind. Insofern denke ich, dass mit Sicherheit ein Einfluss auf die Werbung erfolgen wird. Ähnliches gilt für die Filmindustrie. Irgendwann könnte die KI so weit entwickelt sein, dass jemand innerhalb einer Nacht einen komplett produzierten Spielfilm mittels KI erstellt. Hier tun wir gut daran, den Fortschritt der KI zu hinterfragen. Zudem müssen wir alle entscheiden, wie wir mit diesem Fortschritt umgehen wollen.
Wird die KI-generierte Rückkehr der Figur Margot Weigel bei „Unter uns“ auch gekennzeichnet?
Zum Teil, ja, wo zum Beispiel der komplette Abspann läuft, wird gekennzeichnet sein, dass etwa die Stimme der Margot Weigel KI-generiert ist.
Sind für die Zukunft weitere KI-generierte Handlungsstränge bei „Unter uns“ geplant?
Sicherlich nicht, wenn es darum geht, ein Urgestein der Serie wie Margot Weigel zurückzuholen. Das soll eine besondere Geschichte im Rahmen des 30. Jubiläums der Serie bleiben. Was jedoch den Bereich der Postproduktion betrifft, können diese technischen Vorgänge den Ablauf einer täglichen Serie schon beeinflussen. Erlaubt es die KI also, gewisse mühsame Arbeitsschritte zu übernehmen, um die man sich als Mensch nicht unbedingt reißt, stellt sie natürlich eine große Erleichterung dar. Denn so freuen sich ein paar Menschen, die wiederum Zeit gewonnen haben, sich anderen Aufgaben zu widmen (lacht).
Über den Gesprächspartner
- Guido Reinhardt ist ein deutscher Regisseur und Producer und seit rund 30 Jahren Teil der UFA. Als langjähriger Produzent der RTL-Serie „Unter uns“ hat er im April 2024 auch die Produzenten-Verantwortung für die ebenfalls in Köln-Ossendorf produzierte tägliche Serie „Alles was zählt“ übernommen.
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