Schwierige Übersetzungen: Wenn das Bordell zum Kloster wird


Nur Donald Duck und die Bewohner:innen Entenhausens seien eine Ausnahme: Mit Erika Fuchs, die die Comics nicht originalgetreu übersetzte, hätten sie Glück gehabt, sagt der Kultur-Experte Edwin Baumgartner zu Host Petra Tempfer. Denn sprechende Namen wie Scrooge McDuck, wie Dagobert Duck eigentlich heißt, funktionieren im Deutschen einfach nicht. Dieses Beispiel ist laut Baumgartner aber schon das einzige, das in seinen Augen für freie Übersetzungen spricht.

Denn dass etwa „Get thee to a nunnery, go” aus William Shakespeares „Hamlet” mit „Geh in ein Kloster!“ übersetzt wurde, führe eindeutig zu weit vom Original weg, meint er. Shakespeare habe ein Bordell gemeint, in das er die liebeskranke Ophelia schicken wollte, was „nunnery“ zu Shakespeares Zeiten ebenfalls bedeutete. Das habe in der Zeit der Übersetzungen im 18. und 19. Jahrhundert aber niemand in den Mund nehmen und auch nicht niederschreiben wollen. Der Übersetzer Christoph Martin Wieland merkte an einigen „Hamlet”-Stellen sogar an, dass er diese nicht übersetze, weil „der Meister Ausdrücke verwendet, die man nicht übersetzen will“. Er wollte Shakespeare retten.

Das sei auch gut und richtig so, meint dazu Petra Tempfer. Denn hätte man ihn stets originalgetreu übersetzt, hätte kaum ein Theater der damaligen Zeit seine Stücke gespielt – und Shakespeare wäre nicht so berühmt geworden, wie er es heute ist.

Seid ihr Team Edwin oder Team Petra? Schreibt uns eure Meinung an feedback@wienerzeitung.at


Und hier noch ein Tipp für alle, die gerne mehr Podcasts hören: Am 16. Februar erscheint die erste Folge unseres wöchentlichen, fünfteiligen Dokumentar-Podcasts der WZ zum Lawinenunglück von Galtür. Vor 25 Jahren stürzte eine Lawine in den kleinen Tiroler Ort und verschüttete Häuser und Menschen. Die WZ-Redakteur:innen Petra Tempfer und Bernd Vasari sind nach Tirol gefahren und haben mit den Menschen, die damals dabei waren, gesprochen. Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle war auch darunter: Zur Zeit des Unglücks war er der Bürgermeister von Galtür.


Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns – sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.


Infos und Quellen

Genese

Im Zuge des Podcasts über Kindermusik und Kinderopern „Nervtötend? Kindermusik kann auch anders” stolperte Kultur-Experte Edwin Baumgartner im Gespräch mit Host und WZ-Redakteurin Petra Tempfer über in seinen Augen nicht gelungene Übersetzungen. Die Idee für einen neuen Podcast war geboren.

Gesprächspartner

Kultur-Experte Edwin Baumgartner im Podcast-Studio von Missing Link.
Kultur-Experte Edwin Baumgartner im Podcast-Studio.

© Rainer Klement

Edwin Baumgartner hat Musik-, Theaterwissenschaft und Komposition studiert. Seit mehr als 30 Jahren ist er bei der WZ als Redakteur tätig. Seine Kompositionen wurden in Europa und Asien aufgeführt. Zusätzlich hat er zwei Bücher geschrieben, die im Claudius-Verlag herausgekommen sind: „Schmäh“ und „Wiener Wahn“ befassen sich mit den Untiefen der Wiener Seele; zusammen mit den Autorinnen Doris Kloimstein und Ingrid Schramm hat er bei Goldegg den Band „Nennen wir ihn Rumpelstilzchen“ mit kuriosen Geschichten über Schriftsteller:innen herausgebracht.

Quellen

  • Sprechen Sie Wienerisch? (Peter Wehle, Verlag Ueberreuter): „Gottschewer” oder „Godschewerer” oder „Kraner”: Die Bewohner:innen von Gottschee in Slowenien (damaliges Jugoslawien) waren Warenhändler:innen. Mit Kraner oder Krainer sind sowohl die Bewohner:innen, als auch die Würste gemeint.

Ausschnitt aus dem Buch "Sprechen Sie Wienerisch?" von Peter Wehle.
Der Wiener Ausdruck „Gottschewer” wird auch unter „Godschewerer und Kraner” geführt.

© aus dem Buch „Sprechen Sie Wienerisch” von Peter Wehle, Ueberreuter
Auszug aus dem Buch "Sprechen Sie Wienerisch?" von Peter Wehle.
Die Bewohner:innen von Gottschee in Slowenien waren Warenhändler:innen.

© aus dem Buch „Sprechen Sie Wienerisch?” von Peter Wehle, Ueberreuter
Ausschnitt aus dem Buch "Sprechen Sie Wienerisch?" von Peter Wehle.
Mit „Kraner” sind sowohl Menschen als auch Würste gemeint.

© aus dem Buch „Sprechen Sie Wienerisch?” von Peter Wehle, Ueberreuter
  • The Lord of the Rings (J. R. R. Tolkien, englisch, Verlag HarperCollins Publisher)

  • Der Herr der Ringe (J. R. R. Tolkien, Verlag Klett-Cotta)

  • Der Herr der Ringe (J. R. R. Tolkien in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Margaret Carroux, Verlag Klett-Cotta)

  • Der Herr der Ringe (J. R. R. Tolkien in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Wolfgang Krege, Verlag Klett-Cotta)

  • Die wunderbare Welt der Sprachen (Charles Berlitz, Paul Zsolnay Verlag Wien Hamburg

  • Hamlet (mit dem Zitat: „Geh in ein Kloster”, William Shakespeare in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von August Wilhelm von Schlegel, Verlag Nikol)

  • Hamlet, Prinz von Dänemark (William Shakespeare in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Christoph Martin Wieland, Schönstatt-Verlag)

  • Hamlet, zweisprachige Ausgabe (William Shakespeare und in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Frank Günther, Verlag dtv)

  • Hamlet (William Shakespeare, englisch, Verlag Macmillan Collector’s Library)

  • Moby-Dick (Herman Melville, Verlag Penguin Books UK)

  • Moby-Dick oder: Der Wal (Herman Melville in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Friedhelm Rathjen, Verlag Jung und Jung)

  • Moby-Dick oder Der Wal (Herman Melville in der Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Matthias Jendis, Verlag dtv)

Das Thema in der WZ

  • Im Podcast „Sex, Grusel Spaß und Versmaß” spricht Kultur-Experte Edwin Baumgartner mit Host Petra Tempfer unter anderem darüber, dass Gedichte schon immer ein Weg waren, Tabu-Themen anzusprechen

  • Im Podcast „Sommer, Sonne und ein Mord” thematisiert Kultur-Experte Edwin Baumgartner im Gespräch mit Host Petra Tempfer auch den Philosophen Wilhelm Friedrich Hegel: Die Lektüre eines Romans müsse die Leser:innen bessern und ihnen Wissen vermitteln, war dessen Meinung.

Das Thema in anderen Medien


Habt ihr Fragen oder Vorschläge für unsere nächsten Folgen? Dann schickt uns eine Sprachnachricht über WhatsApp. Die Nummer lautet: +43 664 834 8344. Unseren Podcast könnt ihr auf Spotify, Apple, Google und anderen Plattformen kostenlos abonnieren.

Wir bitten um Feedback unserer Hörer:innen an feedback@wienerzeitung.at

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Scroll to Top